(SR). Zum 16. Januar startete die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) mit ihrem sogenannten Online-Streetwork-Programm für Glücksspielsucht. Wir haben mit Konrad Landgraf, Geschäftsführer der LSG, über das Projekt gesprochen und wie es beim Spielerschutz helfen kann. Die Fragen stellte Sven Rudolf.
Sven Rudolf: „Herr Landgraf, wieso haben Sie das Projekt Online-Streetwork ins Leben gerufen und inwieweit ist es eine Reaktion auf die Veränderungen im deutschen Glücksspielmarkt durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021)?“
Konrad Landgraf: „Mit dem GlüStV 2021 direkt hat das Online-Streetwork-Projekt eigentlich nichts zu tun. Es ist eine Reaktion auf den Trend der Spielenden, vermehrt online zu spielen. Natürlich spielt der Staatsvertrag auch eine gewisse Rolle, allerdings haben die Leute auch schon vorher im illegalen oder im Graumarkt online gespielt. So wie in anderen Lebensbereichen auch verlagert sich das Spiel in den Onlinemarkt. Deshalb haben wir das Projekt gestartet, um die Menschen dort anzutreffen, wo sie sich aufhalten. Analog zum Streetwork im realen Leben, da geht man auch zu den Menschen hin.“
Sven Rudolf: „Haben Sie denn schon vor dem Start am 16. Januar damit begonnen, gängige Treffpunkte im Internet zu identifizieren oder starteten Sie bei null?“
Konrad Landgraf: „Im kleinen Rahmen haben wir uns schon vorbereitet. Im letzten Jahr hat es bereits einen Testlauf gegeben. Eine Kollegin hat sich ein paar Tage auf einigen Seiten aufgehalten. Dieser Testlauf war überraschend erfolgreich, denn trotz des kleinen Rahmens, in dem er stattfand, kamen bereits Anfragen von Nutzerinnen und Nutzern der Web-Seiten zurück. Wir sind also nicht völlig ins kalte Wasser gesprungen, aber im großen Rahmen machen wir das Ganze erst seit Mitte Januar.“
Sven Rudolf: „Glauben Sie denn, dass es im Onlinebereich noch schwieriger wird, mit den Menschen in Kontakt zu treten? Ich könnte mir zumindest gut vorstellen, dass nicht alle Unterhaltungen öffentlich zugänglich sind.“
Konrad Landgraf: „Da Streetwork nie ganz einfach ist, egal ob vor Ort oder online, kann ich nicht sagen, dass es leicht gehen wird. Für den Moment haben wir einige Seiten identifiziert, auf denen sich Spielerinnen und Spieler aktiv über Glücksspiel austauschen. Dort werden wir offen und transparent als Beratende auftreten. Für den Anfang halten wir das Projekt bewusst in einem kleineren Rahmen mit größtenteils bereits identifizierten Seiten. In einem zweiten Schritt könnten dann Plattformen wie Reddit und Discord folgen.[1] Aber das hängt stark davon ab, wie das Projekt jetzt anläuft.
In gewisser Weise soll das Projekt auch einem „learning by doing-Prozess“ folgen. Wir werden also je nach den gemachten Erfahrungen das Angebot anpassen bzw. umstellen.“
Sven Rudolf: „Bei der Ankündigung des Projektes hatten Sie ja vor allem seinen niedrigschwelligen Einstieg gelobt. Soll das Projekt daher in erster Linie als Einstieg zu den übrigen Angeboten genutzt werden – oder soll es eigenständig agieren?“
Konrad Landgraf: „Wir schaffen schon seit vielen Jahren niedrigschwellige Angebote. So haben wir im Jahr 2016 als erste Hilfeeinrichtung im Glücksspielbereich eine Selbsthilfeapp (PlayOff: Hilfe bei Spielsucht) für Menschen mit Glücksspielproblemen gestartet, die sich jeder herunterladen kann, ohne Daten preiszugeben. Auch haben wir vor einigen Jahren unsere Online-Beratungsplattform PlayChange etabliert. Dies mit dem Gedanken, dass Menschen, die vielleicht noch nicht so weit sind in eine klassische Beratungsstelle zu gehen, sich vielleicht online beraten lassen.
Was den Ablauf einer Beratung angeht, die über Online-Streetwork anläuft, kann der Beratungsverlauf sich doch sehr unterschiedlich entwickeln. Es kann sein, dass die Beratung, ausschließlich auf den entsprechenden Online-Plattformen stattfinden wird, auf der auch der Kontakt geknüpft wurde. Natürlich können wir auch weitere Beratungsformen ergänzen. Dieser Schritt empfiehlt sich aus Datenschutzgründen auch sehr, da offene Foren nicht der beste Ort sein dürften, um solche persönlichen Gespräche zu führen.
Aber generell ist es sicherlich wichtig anzumerken, dass diese niedrigschwelligen Angebote dafür gedacht sind, dass den Menschen möglichst früh geholfen werden kann, denn je früher etwas unternommen wird, desto wahrscheinlicher ist ein Erfolg bei der Bewältigung einer Glücksspielproblematik.“
Sven Rudolf: „Dieses Jahr startete auch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL). Sie ist in dem Rahmen auch für die Suchtprävention und Spielerschutz verantwortlich. Inwieweit planen Sie die Zusammenarbeit mit dieser Behörde?“
Konrad Landgraf: „Wir sind auf jeden Fall im Gespräch mit der GGL und das auf unterschiedlichen Ebenen. Ich bin zum Beispiel Mitglied im Fachbeirat, aber natürlich bin ich auch als Geschäftsführer der LSG mit der GGL im Austausch.“
[1] Discord ist eine Chatsoftware die ursprünglich für den Gaming Bereich entwickelt wurde. Reddit kann man wohl am besten als ein Themen statt Personen orientiertes Facebook bezeichnen.
Mehr Informationen zur Arbeit der LSG und ihren Angeboten finden sie unteranderem auf der Website der LSG und Instagram.