Interview mit Herrn Staatssekretär Clemens Hoch, Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz
Die Konferenz der Chefin und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien hat am 21. Februar 2019 Empfehlungen für die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am 21. März 2019 erarbeitet. Hierüber wie über die weiteren mittelfristigen und auch strategischen Erwartungen sprach die Redaktion der Beiträge zum Glücksspielwesen mit dem Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Clemens Hoch.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Sehr geehrter Herr Staatssekretär, es gab Empfehlungen für die MPK am 21. März 2019. Eine lautet, die Experimentierklausel, die derzeit für Sportwetten gilt, durch einen Änderungsstaatsvertrag aufzuheben und de facto Sportwetten terrestrisch wie auch gegebenenfalls online zu lizensieren. Das bisher mit dieser Aufgabe betraute Land Hessen wird dabei aufgefordert, die Zahl 20 als Obergrenze fallen zu lassen und Vorschläge für eine generelle Konzessionierung von Sportwetten zu machen. Habe ich das so richtig verstanden?
Hoch: Der erste Bestandteil unserer Empfehlungen ist tatsächlich, zeitnah einen Dritten Änderungsstaatsvertrag zum Glücksspielstaatsvertrag ins Auge zu fassen. Das Land Hessen bleibt für die Erteilung der Konzessionen an die Sportwettveranstalter zuständig. Bisher gab es eine Obergrenze von 20 Konzessionen, diese soll ersatzlos gestrichen werden. Was die bis zum 30. Juni 2019 geltende Experimentierklausel angeht: Diese Befristung soll noch vor dem voraussichtlichen Inkrafttreten dieses Änderungsstaatsvertrages (1. Januar 2020) aufgehoben werden. Damit wird gewährleistet, dass Ende Juni nicht das Fallbeil des Wiederauflebens des Sportwettenmonopols zu einem Zeitpunkt zuschlägt, zu welchem noch keine Konzessionen vergeben sind. Das Aufheben der Experimentierklausel sichert den gegenwärtigen Zustand.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Das Land Hessen müsste dann bis zum 1. Januar 2020 Vorschläge der Konzessionsbedingungen erarbeitet haben?
Hoch: Hessen ist gebeten worden, Bescheide bereits erlassfertig zu machen und in ihrer Verwaltungsorganisation so zu tun, als ob wir sicher wären, dass wir das zeitlich schaffen. Wir gehen davon aus, dass dies möglich sein wird und zügig nach Inkrafttreten der neuen Regelungen auf Basis des Änderungsstaatsvertrages neue Bescheide erlassen werden können. Da aber zwischen dem Auslaufen der Experimentierklausel und dem Erlassen neuer Bescheide ein halbes Jahr liegen kann, brauchen wir die Entfristung der Experimentierklausel.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die bisherige numerische Obergrenze von 20 Konzessionen ist aber weg?
Hoch: Über die Zahl 20 hinaus werden dann wahrscheinlich faktisch alle, die die qualitativen gesetzlichen Anforderungen erfüllen, eine solche bekommen. D.h. dann auch, dass die Konzessionen terrestrische wie auch Online-Angebote erlauben. Die heute im Staatsvertrag genannten Einschränkungen sind aber unter der Experimentierklausel schon jetzt strenger als dies von den Anbietern gelebt wird. Ich möchte ein Beispiel nennen: Im Staatsvertrag steht, dass maximal 1.000 Euro als Spieleinsatz erlaubt sind. Es gibt aber heute Anbieter, die das anders handhaben. Wenn sie dann eine Konzession haben, müssen sie sich an diese Regelung halten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Sie sagen es gibt Anbieter, die das anders handhaben. Und wenn diese auch weiterhin es anders handhaben, was bedeutet dann das?
Hoch: Wenn sie keine Erlaubnis bzw. Zulassung beantragen oder einfach weitermachen wie bisher, ist es illegales Glücksspiel.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Das war rechtlich doch im Grunde genommen auch jetzt schon so?
Hoch: Ja, aber mit einem wesentlichen Unterschied. Einige Anbieter haben im Rahmen der aktuellen Experimentierphase einen Antrag gestellt und es lag an der Komplexität des Verwaltungsverfahrens, dass sie keine Konzession erhalten haben und deswegen konnten wir diese Spielform dulden. Wenn zukünftig Konzessionen ergehen, kann sich keiner mehr darauf berufen, dass es die Möglichkeit einer Erteilung nicht gäbe. Die Konzessionsinhaber sind dann legal und wenn welche ohne Erlaubnis im Markt anbieten, sind sie illegal. Sie können sich dann nicht mehr darauf berufen, dass es nicht an ihnen selbst lag, keine Konzession erhalten zu haben.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wir haben heute eine Duldungssituation. Das beim Glücksspielwesen häufig auftretende Vollzugsdefizit wollen Sie dann zukünftig bei illegalen Sportwetten wie abstellen?
Hoch: Auch heute unternehmen staatliche Behörden etwas gegen illegale Anbieter, doch Untersagungen sind wahnsinnig schwierig zu vollstrecken, vor allem wenn die Unternehmen in Malta oder Gibraltar sitzen. Wenn wir also zukünftig klare Konzessionsbedingungen haben und damit zwischen legalen und illegalen Angeboten unterscheiden können, wird das einfacher. Ein Druckmittel zumindest gegen die großen Anbieter ergibt sich daraus, dass diese Firmen Glücksspielkonzessionen z. B. in England, in den Vereinigten Staaten, Dänemark oder den Niederlanden bereits besitzen. Sollten sie in Deutschland keine Konzession erhalten haben, aber dennoch illegal im Markt unterwegs sein, könnten staatliche deutsche Behörden den Konzessionsgebern in den genannten Ländern Informationen darüber geben, dass diese eben auch illegal anbieten. In den konzessionsvergebenden Ländern bestünde dann eine Gefahr für diese Anbieter. Mit anderen Worten: Eine Konzession könnte in einem anderen Land durch dieses Verhalten des Anbieters in Gefahr geraten. Dadurch können wir einen Druck auf die Unternehmen aufbauen, auch eine deutsche Konzession zu erhalten und sich an unsere deutschen Regeln zu halten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Herr Staatssekretär, selbst dem Liebhaber föderaler Strukturen kommt es doch merkwürdig vor, wenn in dem Beschluss der Konferenz der Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien explizit die Rede davon ist, dass im Zuständigkeitsbereich bzw. im Territorium des Landes Schleswig-Holstein anderes gelten soll, nämlich die Zulässigkeit von Online-Casino- und Pokerspielen. Wie betrachten Sie diesen Ausnahmetatbestand?
Hoch: Zunächst nehmen wir nur eine Ankündigung von Schleswig-Holstein zur Kenntnis. Mehr nicht. Inhaltlich ist das wohl aber das, was man in der Politik einen klassischen Kompromiss nennt. Juristisch entspricht das sicherlich nicht der reinen Lehre, aber es zeigt, dass die Länder bei diesem Thema trotz unterschiedlicher Auffassungen letztendlich zusammenhalten wollen. Ziel bleibt nach wie vor, in 16 Bundesländern einen Staatsvertrag zu haben, der in jedem Bundesland exakt die gleichen Regelungen vorsieht. Dieses Vorhaben wird sicherlich am Ende schwierig umzusetzen sein, dennoch besteht das Bestreben aller Bundesländer im Sinne gegenseitiger Solidarität darin, sich auf Grundvoraussetzungen und -bedingungen soweit es geht zu einigen. Schleswig-Holstein hat seiner Zeit auf Basis seines alten Landesglücksspielgesetzes, zu einer Zeit, als das Land noch nicht dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 beigetreten war, Konzessionen vergeben, die der vereinbarte Staatsvertrag nicht zugelassen hätte. Die Runde der Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien haben jetzt zur Kenntnis genommen, dass Schleswig-Holstein beabsichtigt, die Übergangsfrist bis 2021 aufrecht zu erhalten. Das ist sicherlich „akademisch“ nicht der ideale Weg, aber er taugt als Verfahrensabschnitt, bis zum Jahr 2021 die Situation für den Bereich der Sportwetten zu retten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Bis 2021 soll in regelmäßigem Rhythmus eine Abstimmung der Länder untereinander stattfinden. Die Chefin und Chefs der Staats- und Senatskanzleien schlagen dies in zügigen Abständen vor, um ein Ergebnis zu erreichen. Bedeutet dies, dass einige Bundesländer, hier Schleswig-Holstein, bis zum Schluss pokern?
Hoch: Das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, dass bis zum Schluss offen sein wird, welche Regelungen für alle gelten und welche Regelungen vielleicht nur in einigen Ländern zum Tragen kommen. Das wäre übrigens ein Modell, das aus meiner Überzeugung durchaus funktionieren könnte. Diese Auffassung vertritt Rheinland-Pfalz. Ich könnte mir gut eine moderate Öffnung für Online-Casinos ab 2021 vorstellen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wenn ich Sie richtig verstehe wird es einen Minimalkonsens im Rahmen eines neuen Glücksspielstaatsvertrages geben und in einzelnen Ländern wird im Sinne der Liberalisierung darüber hinausgegangen werden?
Hoch: Mein Vorschlag wäre, dass sich einige Bundesländer zusammentun, nämlich die, die Online-Casinos ermöglichen wollen. Aus Solidarität der Bundesländer untereinander würden die Erlaubnisse vorsehen, dass Verbote anderer Länder zu beachten sind. Sollten einige Bundesländer weiter an dem Verbot festhalten, müssen sich die Anbieter dann darauf einstellen, dass es Bundesländer mit einem Verbot und andere mit einer liberaleren Zulassungspolitik gibt. Für mich gebietet die Bundestreue der Länder untereinander, dass wir ein einheitliches Regulierungssystem formulieren, damit sowohl diejenigen, die ein Totalverbot im Online-Glücksspiel beibehalten wollen, wie auch die, die eine liberalere Lösung ermöglichen möchten, unter dem Hut eines neuen Glücksspielstaatsvertrages vereinigt bleiben. Sollte es also Bundesländer geben, die weiterhin ein Verbot von Online Casino- und Pokerspielen aufrechterhalten wollen, muss es in der Nebenabstimmung auch möglich sein, Ländern andere Wege zu öffnen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wie glauben Sie denn, dass dies „trivial“ zu lösen wäre?
Hoch: Das wäre mit Geoblocking praktikabel machbar. Unterschiedliche Regelungsgehalte könnten dadurch berücksichtigt werden. Wir hatten ja jahrzehntelang ein Geoblocking, das es unmöglich macht, mit einem deutschen Account bestimmte Online-Angebote in anderen Ländern zu erreichen. Ein heutiges Beispiel: Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind nur mit eingeschränkten Zugängen aus dem Ausland erreichbar. Auch private Anbieter von Online-Angeboten haben dies bereits in der Vergangenheit genutzt.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Dann fahren wir am Wochenende zum Spielen nach Stade?
Hoch: Ja, oder nach Mainz. Das bleibt dann den Bundesbürgern selbst überlassen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Was sind weitere Punkte einer möglichen Einigung in der möglichen Diskussion zwischen den Bundesländern?
Hoch: Eine gemeinsame Aufsichtsbehörde für das Glücksspielwesen ist ein Punkt, auf den man sich einigen können wird. Eine solche gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts mit einer effektiven Vollstreckung für alle Bundesländer wäre machbar. Des Weiteren den Erhalt des Lottomonopols sowie korrespondierend das Verbot von Zweitlotterien und eine gemeinsame spielformübergreifende Sperrdatei aus Spielerschutzgründen. Ich glaube, es wird zwei Körbe geben, die man gemeinsam in einem neuen Staatsvertrag vereinbaren können wird und das spielformübergreifend. Der eine Korb, auf den sich alle Länder einigen werden können, wird unter anderem die von mir vorher genannten Maßnahmen enthalten. Der andere Korb wird idealerweise von den Ländern vereinbart, die eine weitergehende Liberalisierung im Glücksspielmarkt erreichen wollen. Dazu gehören unter anderem Themen wie Online-Casino-Angebote.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Zu dem durch alle Länder unterstützen Korb nannten Sie u.a. den Spielerschutz. Da gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, eine noch unterschiedlicher gelebte Praxis und bisher keine Einheitlichkeit. Wie wäre also Spielerschutz gemeinschaftlich und damit bundesweit einheitlich anzuwenden?
Hoch: Zuerst einmal muss man den Spielerschutz genauer definieren. Im bisher verstandenen engeren Sinne wird dabei die Vermeidung von Sucht oder eine Verhinderung von Rückfall in die Sucht begriffen. Das könnte dann mit einer bundesweit einheitlichen spielformübergreifenden Spielersperrdatei geregelt werden. Dafür gibt es ja auch heute schon angelegte Lösungen, die leider nicht einheitlich gelebt werden. Des Weiteren brauchen wir klare Regeln über die Aufnahme in, aber auch das Ausscheiden aus einer Sperrdatei. Manche Spieler wollen nicht in eine Sperrdatei, andere nur vorübergehend; selten ein Leben lang. Zudem ist die Frage zu klären, wie es sich mit sogenannten Fremdsperren verhält. Eine solche Möglichkeit sieht bereits der heutige Staatsvertrag vor, wird aber in der Praxis nicht mit Leben gefüllt, da die Voraussetzungen einer Entsperrung sehr hoch sind. Dennoch erscheint es mir aus suchtpräventiven Gründen sinnvoll, an den Fremdsperren unter gewissen Voraussetzungen festzuhalten. Ein Anwendungsfall könnte z.B. der Fall einer Privatinsolvenz in Folge Spielsucht sein, welcher Dritte, z.B. die Angehörigen, durch die Fremdsperre begegnen wollen. Um das Instrument der Fremdsperren auch zukünftig nutzbar zu machen, erscheinen meines Erachtens Änderungen an den Voraussetzungen für die Herausnahme aus der Sperrdatei sinnvoll, insbesondere bezüglich der zu erbringenden fachärztlichen Nachweise. Wichtig scheint mir in jedem Fall, eine Sperrdatei im Sinne eines umfassenderen Schutzinstruments auszubauen. Das gilt insbesondere für den Minderjährigenschutz. Schon heute ist es ja möglich zu verhindern, dass ein Minderjähriger eine Kreditkarte beantragen kann. Das muss im Sinne eines harten Minderjährigenschutzes auch im Glücksspielwesen möglich werden.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Ein weiter heiß diskutiertes Thema ist seit Jahren das sogenannte Paymentblocking, das Geldzahlungen im illegalen Spielbetrieb durch Kreditinstitute verhindert werden. Niedersachsen hat seit etlichen Jahren den Auftrag, sich hier Gedanken zu machen, es wurde eine eigene Abteilung aufgebaut und dennoch gibt es bis heute kein verwertbares Ergebnis. Ist Paymentblocking noch auf der Agenda?
Hoch: Wenn Unternehmen heute nicht genehmigungsfähige Glücksspiele anbieten, scheitert eine Untersagung meistens am Zustellen des Verwaltungsakts. Für Zustellungen im Ausland gelten spezifische gesetzliche Anforderungen. Diese zu erfüllen ist in der Regel schwierig, wenn die Firmen zum Beispiel in Malta oder Gibraltar sitzen. Die Zahlungsunterbindung wird daher auch in Zukunft ein sehr wichtiger Bestandteil bei der Unterbindung illegaler Glücksspielangebote sein. Wenn der Staat sagen könnte, diese individuelle Zahlung soll nicht ausgeführt werden, ist das technologisch kein Problem, auch kein Zeitproblem. Derzeit hinkt die Umsetzung der Zahlungsunterbindung der Realität hinterher, weil sie ja immer erst im Nachhinein ein Rechtsgeschäft, das einem gesetzlichen Verbot unterliegt, sanktionieren können. Wenn aber Kreditinstitute, motiviert über die Bankenaufsicht wissen, dass bei illegalem Glücksspiel Rechtsgeschäfte einem gesetzlichen Verbot unterliegen, gäbe es entweder die Möglichkeit, die Zahlungsströme mit Hilfe einer Blacklist zu unterbinden oder über beliehene Unternehmen, die per Ausschreibung definiert werden könnten. Diese könnten die Online-Überweisungen in Echtzeit unterbinden. Eine Öffnung des Marktes für Online Casino- und Pokerangebote hätte den Vorteil, dass die erlaubten oder konzessionierten Anbieter für die Glücksspielaufsichtsbehörden greifbar wären.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wie muss ich mir das vorstellen und welche Unternehmen kämen dafür in Frage?
Hoch: Nehmen Sie mal einen bekannten Dax-Konzern, über den fast alle Online-Zahlungen abgewickelt werden, egal ob eine Flugreise, eine Hotelbuchung oder eben auch derzeit illegales Online-Glücksspiel. Ein solcher Zahlungsdienstleister könnte wie der TÜV beliehen werden, Zahlungen im Zusammenhang mit Illegalität in Echtzeit zu identifizieren und durch Paymentblocking effektiv zu stoppen. Ein solches Modell wäre die effektivste Methode, aber auch eine rechtlich komplexe. Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung könnte man ein solches Unternehmen dann aussuchen und es mit dem Recht beleihen, Überweisungen im Falle eines illegalen Angebotes zu stoppen. Ich fände das ein spannendes Verfahren, will aber für den Moment mal ausschließen, dass wir dieses in absehbarer Zeit realisieren können, wenn ich auch glaube, dass dies irgendwann kommen wird und vor allem auch kommen muss, um eine staatliche Regulierung im Markt auch konsequent durchzusetzen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die Empfehlung der Chefin und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien an die Ministerpräsidentenkonferenz impliziert ein klares und eindeutiges Verbot von Zweitlotterien. Diese argumentieren nun ihrerseits, man könne ja die Wetten auf die Ziehung der Zahlen der deutschen Lotterien unterlassen, dafür aber das Wetten auf ausländische Lotterien zulassen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Hoch: Diese Anbieter wollen natürlich ihr Geschäftsmodell retten. Doch für alle Länder gilt gleichermaßen, das Lottomonopol muss erhalten bleiben. Der Erhalt dieses Monopols ist nur möglich, wenn Zweitlotterien, also das Wetten auf den Lottoausgang, verhindert werden, weil ansonsten das Monopol selbst infrage gestellt wird. Das ist Konsens.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Im gemeinsamen Korb aller Länder könnten u.a. die Glücksspielaufsichtsbehörde, die Sperrdatei und das Totalverbot für Zweitlotterien enthalten sein. Die Länder mit der Auffassung, eine liberalere Glücksspielregulierung sei sinnvoll, werden neben den Online-Casino-Angeboten auch Online-Poker zulassen?
Hoch: Die Diskussion ist auch bei uns in Rheinland-Pfalz noch nicht abgeschlossen. Aber ich habe den Eindruck, dass es in der Koalition eine große Bereitschaft gibt, sich dem Gedanken zu nähern, das heutige Totalverbot nicht aufrecht zu erhalten, sondern stattdessen einen vernünftig regulierten Markt mit gewissen Freiheiten, aber auch einer Verantwortung der Anbieter zu etablieren und diesen dann effektiv zu kontrollieren. Ich kann hier und will auch nicht für andere Bundesländer sprechen, doch einige werden den Weg gemeinsam gehen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Online-Casino und Online-Poker sind also von einem Teil der Länder als durchaus zulassungsfähig anzusehen?
Hoch: Ja, einige Länder sehen das so. Ich vermute, es wird sich die Hälfte der Bundesländer in diese Richtung bewegen, die andere Hälfte vielleicht nicht. Aber eine baldige Entscheidung muss getroffen werden, bestenfalls noch in diesem Jahr. Unmittelbar nach Inkrafttreten des Dritten Änderungsstaatsvertrages muss eine Entscheidung, wie es im Sommer 2021 weitergeht, fallen. Dabei müssen die Verfahrensabläufe in den gesetzgeberischen Vorgaben der Länder berücksichtigt werden.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Herr Staatssekretär, es wird also eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes in zwei Geschwindigkeiten stattfinden?
Hoch: Ja, das vermute ich. Ich glaube, die Bundesländer werden sich jetzt sortieren und dann dem Modell einer Opt-in oder Opt-out Lösung nähern. Wir werden einen Glücksspielstaatsvertrag gemeinsam verabschieden, um die Bundestreue zu halten, dort sind dann vermutlich zwei Möglichkeiten enthalten: Entweder Opt-in, ich lasse also eine liberalere Glücksspielregulierung zu, oder Opt-out, ich verbiete weiterhin bestimmte Angebote. Mit anderen Worten, es wird wohl einige Länder geben, die auf ihrem Staatsgebiet gewisse Online-Aktivitäten zulassen, andere, die sie nicht zulassen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Einige Vertreter des Bundes hatten sich ja in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Bundesländer seit Jahren auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag nicht einigen konnten, als Moderator ins Spiel gebracht. Das scheint vom Tisch. Dennoch ist der Bund gegenüber der Europäischen Kommission der nationale Ansprechpartner für das neue Regulierungsregime. Wie verhält es sich mit dieser Rolle des Bundes?
Hoch: Aus meiner Sicht muss natürlich ein Notifizierungsverfahren im Rahmen der Etablierung eines neuen Glücksspielstaatsvertrages stattfinden. Das bedeutet, dass wir die neuen gesetzlichen Regelungen der EU mitteilen, die wiederum die anderen Mitgliedsstaaten auf Einwände befragt. Der Bund selber hat aber hier keine Notifizierungsverantwortung, denn wir stellen nur den Kontakt über den Bund nach Brüssel her, weil der Bund hier die Korrespondenzadresse ist. Die Verantwortung hat der Gesetzgeber und dies sind die Länder. Ich denke, wie auch in zahlreichen anderen Themen, wird es hier keine Gesetzgebungskompetenzprobleme geben. Den Bund benötigen wir in diesem Zusammenhang allerdings für die Umsetzung der neuen Regelungen in der Steuergesetzgebung.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Nach den jetzigen Plänen der Bundesländer soll sich die Zahl der Spielhallen verringern, dazu sind Abstandsgebote und andere Maßnahmen erlassen worden. In einigen Ländern gibt es heftige Diskussionen um die Härtefallregelung, welche von zwei direkt nebeneinanderliegenden Spielhallen muss ihren Betrieb 2020/2021 spätestens einstellen. Die Kommunen sehen sich überfordert. Gibt es hier eine gerechte Lösung?
Hoch: Wir in Rheinland-Pfalz haben aus gutem Grund die Entscheidungen in dieser Angelegenheit nicht den Kommunen überlassen, sondern gesetzlich klar geregelt und den Vollzug der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion zugeordnet. Dies macht die Umsetzung einfacher und sichert eine landesweite Einheitlichkeit.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Es soll eine zentrale Behörde für die Glücksspielaufsicht geben. Wir sprachen bereits darüber. Wo wird diese neue Behörde, ggf. als Anstalt des Öffentlichen Rechts, angesiedelt?
Hoch: Vermutlich in einem der größeren Länder. Beim letzten Versuch, den Glücksspielstaatsvertrag zu ändern, hatte sich ja Nordrhein-Westfalen engagiert und erklärt, sich in den strittigen Fragen als Moderator einzubringen, gleichzeitig durch die Konzentration der Aufgaben in Nordrhein-Westfalen den Nukleus für eine solche Behörde zu schaffen. Ich persönlich habe das damals als ein Präjudiz empfunden. Aber der Lauf der Dinge nahm einen anderen Weg und so bleiben die derzeit verteilten Aufgaben, wo sie sind: Hessen ist zuständig für die Erteilung der Konzessionen für Sportwettveranstalter, Pferdewetten im Internet und die gemeinsame Geschäftsstelle, Nordrhein-Westfalen für die Werbung, Hamburg für die GKL, Niedersachsen für das Paymentblocking und wir hier in Rheinland- Pfalz kümmern uns um das Thema Soziallotterien.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Wäre ein Pooling auch ein Weg, die Zahl der „Glücksspiel-Verkaufsstätten“ zu reduzieren? Manche Kommunen plädieren dafür. Dann könnte beispielweise in einer Lottoannahmestelle auch eine Sportwette abgeschlossen werden oder an einem Glücksspiel-Automaten gespielt werden.
Hoch: Nach dem Glücksspielstaatsvertrag dürfen in einem Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befindet, keine Sportwetten vermittelt werden. Und in einer Lottoannahmestelle dürfen Geldspielgeräte nicht aufgestellt werden. Das Trennungsgebot zwischen den verschiedenen Glücksspielformen dient der Suchtprävention. Nebenbei und scherzhaft: Ich verliere viel Geld bei einer Sportwette, dann „daddele“ ich nebenbei an einem „Automaten“, wenn der Abend schlecht gelaufen ist, kaufe ich mir wenigstens einen Lottoschein für 30 Euro. Ich glaube das ist nicht der richtige Weg.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die Soziallotterien machen auch sehr hohe Umsätze. Wird sich durch die Änderung der Regulierung auch für sie etwas ändern?
Hoch: Zwar machen die Soziallotterien hohe Umsätze, doch ihr Anteil am Gesamtvolumen ist eher gering. Sie entwickeln wenig Suchtpotenzial, die Ausschüttungen sind gering, weil sie ja einen hohen Anteil in soziale Projekte stecken. Natürlich sagen die Soziallotterien, dass wenn es Schritte zu einer weiteren Liberalisierung im Glücksspielmarkt gibt, sie sich hier auch eine positive Verbesserung erwarten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Brüssel verfolgt eine ordnungspolitische Vorstellung, die im Regelfalle von einer Trennung zwischen Netzbetreiber und Inhalteanbieter ausgeht, die gleiche ordnungspolitische Vorstellung liegt der Trennung zwischen Gesetzgeber/Regulierer einerseits und Anbieter im Markt andererseits vor. Brüssel rügte ja, dass der deutsche Staat ein Monopol bei Lotto beansprucht und damit Marktteilnehmer ist, er gleichzeitig die anderen Marktteilnehmer reguliert. Wird der angestrebte neue Glücksspielstaatsvertrag Brüssel zufrieden stellen?
Hoch: Zuerst einmal muss man ja konstatieren, dass Brüssel eine Pilotuntersuchung gegen Lotto in Deutschland eingestellt hat. Die EU möchte eine kohärente, in sich stimmige Regulierung. Ich verstehe die EU-Kommission an einem Beispiel wie folgt: Man kann nicht eine Spielform verbieten, die weniger suchtanfällig ist und auf der anderen Seite suchtanfälligere freigeben. Und dies betrifft natürlich auch die Frage des Lottomonopols. Deswegen sind die bisherigen Regelungen ja auch kohärent. Daher glaube ich, dass wir mit der Zulassung und Liberalisierung des Glücksspielmarktes für nichtstaatliche Anbieter zum einen bei der Aufrechterhaltung des Lottomonopols bleiben können, zum anderen aber die kritische Betrachtung Brüssels ausreichend berücksichtigen. Wir finden für das Lottomonopol mit Sicherheit eine gute europarechtskonforme Begründung.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Die zu erwartende Liberalisierung der Sportwetten im Online-Bereich macht auch den deutschen Lottoblock begehrlich. Mit seinem Sportwettenangebot Oddset ist er stark reguliert und erhofft sich auch Vorteile durch die Liberalisierung?
Hoch: Diese Paradoxie müssen wir natürlich beheben. Die aktuellen staatlichen Sportwetten werden terrestrisch seitens der Landeslotteriegesellschaften angeboten. Weil keine Online-Lizenzen ausgegeben worden sind, verhalten sich im Grunde genommen alle Online-Anbieter im Sportwettenbereich illegal. Wenn wir also den Online-Bereich legalisieren, wird auch Oddset online anbieten dürfen.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Ein liberalerer Glücksspielmarkt, oder besser teilliberalisierter, erfordert auch liberalere Werberestriktionen?
Hoch: Ich glaube es wäre schon konsistent, wenn wir auch in diesem Bereich eine Liberalisierung vollziehen würden. Zuerst einmal bin ich für informatorische Werbung immer offen. Sie sehen das auf dem Trikot der Fußballmannschaften, dort wird für Glücksspielunternehmen geworben. Es steht aber nur der Name da und es macht die Marke bekannt. Das finde ich völlig legitim. Es vermittelt nicht den besonderen Reiz am Glücksspiel. Und hier, glaube ich, muss man bei einer Liberalisierung dann doch Grenzen ziehen, insbesondere mit Blick auf Minderjährige und Kinder. Werbung in dem Sinne, dass man am Leben nur Spaß haben kann, wenn man jeden Tag Glücksspiel betreibt, halte ich aus Fürsorgegründen für unangebracht. Schauen Sie sich einmal Italien an, dort hat man die Werbung für Glücksspiel gänzlich verboten. Nun können die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr zwischen legalen Anbietern und illegalen Anbietern unterscheiden und gehen daher zum Erstbesten. Mit anderen Worten: Werbung ist natürlich auch ein Teil der Kanalisation, nämlich dann, wenn nur legale Anbieter werben dürfen und wir bei illegaler Werbung einschreiten könnten.
Beiträge zum Glücksspielwesen: Vielen Dank für das Gespräch.